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War die DDR antisemitisch?
Kritische Anmerkungen zu den Studien einiger Historiker.


In: Hochschule Ost. leipziger beiträge zu hochschule und wissenschaft,
Jüdische Intellektuelle in der DDR. Politische Strukturen und Biographien.
Hrsg. v. Georg Schuppener. 1-2/1999, S. 62-74.

Seit ihrer Gründung hat sich die DDR darauf berufen, die politischen Lehren aus der Geschichte Deutschlands gezogen zu haben und mit der Errichtung einer sozialistischen Gesellschaftsordnung letztlich auch den Antisemitismus "ausgerottet" zu haben. Seit ihrem Untergang ist dieser Anspruch einer verstärkten kritischen Überprüfung unterzogen worden, wobei sich die Historiker auf erst jetzt zugängliche Archivmaterialien stützen konnten. Mehrere, vornehmlich aus den alten Bundesländern stammende Historiker haben die "politische Lebenslüge" des anderen deutschen Staates durch den Nachweis zu entlarven versucht, daß, die DDR nicht "antifaschistisch", sondern "antisemitisch" gewesen sei.

Unter der Schlagzeile "Die SED und die Juden - Historiker brechen ein Tabu. Antisemitische Verfolgung und Benachteiligung nahm 1945 längst kein Ende" berichtete die Leipziger Volkszeitung am 10.4. 1997 über eine wissenschaftliche Tagung im bayerischen Tutzing und wies die Öffentlichkeit auf eine Reihe Fakten hin, die als Belege für den Antisemitismus der DDR dienen:1. Im sozialistischen Deutschland wurde das von den Nazis "arisierte" Eigentum in Volkseigentum überführt. 2. Die politische Aufarbeitung des Nationalsozialismus war besonders, was den Völkermord an den Juden betraf, einseitig und unzureichend. 3. Im Vergleich zu allen Kommunisten, die als aktive politische Kämpfer gegen den Faschismus behandelt wurden, galten die "rassisch" verfolgten Juden nur als "Opfer zweiter Klasse". 4. In den Jahren 1952/53 lebte die DDR im Wahn einer jüdischen Verschwörung, hinter der zionistisch-imperialistische Agenten steckten. 5. Jahrzehntelang, aber vor allem 1957 und 1967 vertrat der sozialistische deutsche Staat antizionistische und antiisraelische Positionen.

Alle diese Thesen entsprechen zwar der historischen Wahrheit, belegen meines Erachtens jedoch nicht, daß "der Antisemitismus einen Bestandteil der DDR-Staatsdoktrin" bildete.2 Im Unterschied zu den Arbeiten, auf die ich mich im folgenden beziehe, möchte ich den Begriff des Antisemitismus kurz definieren. Ich verstehe Antisemitismus als Sammelbegriff für die historisch wandelbaren und vielfältigen Formen einer feindseligen Haltung gegenüber Menschen jüdischer Herkunft. Diese können religiös, ökonomisch, politisch, kulturell oder rassistisch motiviert bzw. "begründet" sein, wobei die feindselige Haltung im Zusammenhang mit der kollektiven Eigenschaft stehen muß, "jüdisch zu sein". Im engeren Sinne ist der Antisemitismus eine Weltanschauung, die den Juden nicht nur das Recht, sondern auch die Fähigkeit abspricht, ein gleichberechtigter Teil einer nichtjüdischen Nation zu sein.3 Im weiteren Sinne zeigt sich Antisemitismus jedoch auch schon in Klischees und Vorurteilen, die gegen "die Juden" oder "den Juden" gerichtet sind - mithin auch hier mit einer Verallgemeinerung oder Pauschalisierungen verbunden sein müssen, die spezifisch "jüdische" Verhaltensweisen, Eigenschaften oder Einstellungen postuliert. Mit Blick auf die Beschäftigung mit der DDR wäre überdies zwischen antijüdischen Einstellungen und Verhaltensweisen einzelner Menschen oder Gruppen (wie zum Beispiel der rechten Skinhead-Szene), der offiziellen Ideologie und Politik des Staates und der inoffiziellen seiner Träger (wie beispielsweise hauptamtlicher Mitarbeiter des MfS) zu unterscheiden.

So erforderlich derartige Differenzierungen sind, um dem historischen Selbstverständnis eines untergegangenen Staates gerecht zu werden, der sich selbst keinesfalls als antisemitisch gesehen hat, so nötig ist das Aufdecken antisemitischer Tendenzen, die diesem unbewußt geblieben sind. Aus gutem Grund hat man sich seit den fünfziger Jahren für die den jüdischen Opfern Hitlers verweigerte Wiedergutmachung und die feindselige politische Haltung des SED-Staates gegenüber Israel bzw. seinen Antizionismus interessiert.

 

Die Frage nach der Weltanschauung: Antisemitismus oder sozialistisches Assimilationskonzept ?

Für den Bochumer Historiker Lothar Mertens verbirgt sich hinter der "im offiziellen Sprachgebrauch" als "antizionistisch" bezeichneten Haltung der SED weiter nichts als Antisemitismus. Das habe sich vor allem im "Fall Paul Merker" und den damit verbundenen ,lehren" des Zentralkomitees der SED "aus dem Prozeß gegen das Verschwörerzentrum Slansky" gezeigt, auf die noch einzugehen sein wird. In seinem Aufsatz "Antizionismus. Feindschaft gegen Israel als neue Form des Antisemitismus" erklärt Mertens die politische Parteinahme gegen den jüdischen Staat als "neue, verkappte Form eines latenten Antisemitismus", der im Gegensatz zur tradierten Judenfeindschaft "weniger religiöse als vielmehr politische und ökonomische Gründe" habe.4 Die feindliche Haltung der DDR gegenüber Israel wird hier weder von der modernen Judenfeindschaft noch vom Antizionismus unterschieden, den es bereits vor der Gründung des jüdischen Staates gegeben hat.

Ähnlich vage wie der Begriff des Antisemitismus ist der des Judentums, der zumindest diesem Aufsatz Lothar Mertens zugrundeliegt. Die DDR habe, so Mertens, bei der Definition des Judentums "eine ideologische Quadratur des Kreises" betrieben, weil es ihr letztlich auf die Klassenzugehörigkeit eines Menschen ankam.5 Genau das aber bedeutete, daß die Frage des "Jüdischseins" normalerweise keinerlei Bedeutung hatte. Das Eigentum eines "Kapitalisten" jüdischer Herkunft, das von Hitlerdeutschland "arisiert" worden war, wurde in der DDR deshalb genauso in Volkseigentum überführt wie das jedes anderen Kapitalisten. - Kann man das als Antisemitismus bezeichnen?

Der Kirchenhistoriker Peter Maser, der 1977 aus der DDR in die Bundesrepublik übersiedelte, ist mit dem Vorwurf des Antisemitismus sichtlich vorsichtiger. Da er die DDR auch von innen kennt, betrachtet er die Situation der Juden nicht als isoliertes Phänomen, sondern als "Indikator" für die allgemeinen gesellschaftlichen Zustände des Landes. Der Respekt vor dem Schicksal der Juden habe im SED-Staat mit der "revolutionären Notwendigkeit" konkurriert, "auch im Juden den Bourgeois und Kapitalisten" bzw. den "Gegner der sozialistischen Umgestaltung zu entlarven".6 Masers Bericht für die Enquete-Kommission des Bundestages weist gleichzeitig darauf hin, daß die DDR-Berichterstattung über den unter antisemitischen Vorzeichen ablaufenden Prager Slansky-Prozeß eine eindeutig "antijüdische" Komponente hatte, weshalb Ende 1952/Anfang 1953 viele Juden die DDR verließen. Maser leitet die Haltung der Partei zur Judenfrage aus dem in die sozialistische Gesellschaft verlängerten Assimilationskonzept des 19. Jahrhunderts ab, wonach "den Juden als Menschen alles, als Nation jedoch nichts" zu geben sei. Im Widerspruch dazu scheint mir die Einschätzung zu stehen, daß die Judenpolitik der DDR "schizophren" gewesen sei. Das Regime hätte auf diesem Gebiet nicht nur versagt, sondern schwere Schuld auf sich geladen.7

Mario Keßler, der bis zur Wende Mitarbeiter der Akademie der Wissenschaften der DDR war, bezeichnet 1952 und 1953 als Jahre eines "stalinistischen Antisemitismus", weil in dieser Zeit allein die "jüdische Herkunft" Anlaß für politische Verdächtigungen gewesen sei. Keßler unterscheidet die Situation jedoch von den mörderischen Folgen, die dies in der Sowjetunion und in der Tschechoslowakei hatte, womit er die Tatsache zu erklären vermag, wieso man mit Paul Merker in der DDR einem Nichtjuden den Prozeß gemacht hat: Die deutschen Stalinisten hätten durch die Thematisierung seiner geheimen Verbindungen zu jüdischzionistischen Kreisen zwar die "antisemitische Komponente" der Kampagne genutzt, den Vorwurf eines direkten Antisemitismus in der Sache jedoch leicht zurückweisen können.8

Gegen die These Keßlers, daß die Politik der SED nach einigen Jahren der "Repression" von "Toleranz" geprägt gewesen sei, polemisiert der Münchner Historiker Michael Wolffsohn.9 Nach der "Deutschland-Akte" listet er in "Meine Juden - Eure Juden" erneut eine lange Reihe von "antisemitischen Tatsachen" auf, mit denen er den antifaschistischen Mythos der DDR zu widerlegen sucht.10 Was Wolffsohn behauptet oder mit Hilfe polemischer Fragen zumindest suggeriert, geht weit über das von anderen Historikern Konstatierte hinaus: Jüdische Einwanderer aus Polen und der SU hätten in der DDR keine Zuzugsgenehmigung erhalten, weil man diese "ostjudenrein" halten wollte.11 In Stasiberichten sei vom "jüdischen Aussehen" observierter Personen die Rede, was auf antisemitische Vorurteile schließen lasse. Hinter der Staatsangehörigkeit wurde der Zusatz "Jude" vermerkt, was im Klartext geheißen habe: "Ein Jude kann eigentlich kein Deutscher sein."12 Die Staatssicherheit fertigte "Judenlisten" mit den Namen der Mitglieder der jüdischen Gemeinde an, worauf Wolffsohn fragt: "Wofür wurden sie vorbereitet? Den Abtransport der Juden? Wohin? Wir wissen es nicht."13 In den jüdischen Gemeinden habe Klarheit geherrscht, daß die Schändungen jüdischer Friedhöfe von SED und Stasi "mindestens geduldet, wenn nicht sogar gewünscht und direkt ausgeführt" worden seien. Das erinnere an "das Organisieren des vermeintlichen Volkszornes" in der Reichskristallnacht.14 Da im gegebenen Rahmen obwohl eigentlich erforderlich - keine Auseinandersetzung mit Wolffsohns Vorwürfen erfolgen kann, möge sich jeder Leser selbst die Frage beantworten, wie zwingend die hier konstruierten Zusammenhänge und Interpretationen sind, bzw. inwiefern sie als "antisemitisch" zu erklären oder zu bewerten sind.

Peter Maser hat sehr richtig darauf hingewiesen, daß der von vielen Parteigenossen "ehrlich gemeinte" und "humanistisch" begründete Antifaschismus "eine Falle" war, weil man glaubte, mit der Überwindung der ökonomischen Grundlagen des Kapitalismus "die Wurzeln des Antisemitismus" beseitigt zu haben. Die Faschismus-Theorie der Kommunisten führte zu einer "ideologischen Entschuldung" der in der DDR lebenden Deutschen, denen die moralische Auseinandersetzung mit ihrem Verhalten während der Nazizeit erspart wurde.15 Durch die aus der stalinistischen Sowjetunion importierte Diktatur der Partei wurden sie zu "Mitsiegern" der Geschichte erklärt.

Wer sich mit der Politik der DDR gegenüber "den Juden" beschäftigt, kommt nicht umhin, sie vor dem Hintergrund des Marxismus zu reflektieren.16 Dieser erklärte "die Judenfrage" zu einem Problem der politischen Ökonomie und glaubte, mit der Vergesellschaftung der Produktionsmittel auch den Antisemitismus zu beseitigen, während er die Juden nicht als eigene Nation anerkannte.17 Die jüdische Problematik konnte demnach nur durch eine allgemeine politische Emanzipation, nicht aber durch die Schaffung einer nationalen Heimstätte gelöst werden konnte,18 wobei die jüdische Religion zunächst weiterhin toleriert wurde. Obwohl Karl Marx alle Religionen zu "falschem Bewußtsein" erklärte, das im Kommunismus "absterben" werde, gewährte die DDR in der sogenannten "sozialistischen Übergangsphase" zu einer religionsfreien Gesellschaft nicht nur den Christen, sondern auch den Juden Glaubens- und Gewissensfreiheit. "Judenpolitik" war für die DDR eine Teil der Kirchenpolitik, und die jüdische Religionsgemeinschaft wurde vom Staat der DDR finanziert.

 

Antizionismus als Teil einer antiimperialistischen Verschwörungstheorie

Die in der DDR lebenden Kommunisten, die sich auch als Juden verstanden, sahen sich mit einem Widerspruch konfrontiert: Einerseits waren sie Bürger eines Staates, der "die Judenfrage" auf sozialistische Weise gelöst hatte. Andererseits waren sie über ihre ethnische Herkunft mit der Schicksalsgemeinschaft des jüdischen Volkes und seiner neugeschaffenen Heimstätte verbunden. Es kann hier nicht darauf eingegangen werden, wie "jüdische Marxisten" diesen Widerspruch zu lösen versucht haben.19 Die Partei hat ihn in jedem Fall für sich zu nutzen gewußt, indem sie "ihre Juden" in den ideologischen Kampf gegen die Regierung Israels geschickt hat.

Die "Erklärung jüdischer Bürger der DDR", welche am 9.6.1967 im Neuen Deutschland veröffentlicht wurde, diente der politischen Parteinahme, die sich der jüdischen Herkunft der Unterzeichner bediente. Wie ihre Verwandten in Israel beklagten die Juden der DDR den Verlust zahlreicher Familienangehöriger, die - wie es hieß - "von den Imperialisten Hitlerdeutschlands" ermordet worden waren. In der gleichen Erklärung klagten sie die Regierung Israels an, sich "zur Tarnung ihrer imperialistischen Interessen" sich des Namens aller Juden zu bedienen. Über ihre außenpolitischen Verbindungen zu den "westdeutschen Imperialisten" wurden die "gegenwärtigen Machthaber" des jüdischen Staates der Zusammenarbeit mit den ebenfalls imperialistischen Mördern des jüdischen Volkes bezichtigt.

So monströs und wahnhaft die Konstruktion derartiger Verbindungen war, als "antisemitisch" kann man sie kaum betrachten, weil sie nicht gegen "die Juden", sondern "den Imperialismus" gerichtet war,20 der Israel angeblich zur Speerspitze gegen die arabischen Völker gemacht habe, wobei die Interessengegensätze zwischen "den gegenwärtigen Machthabern Israels" und dem "jüdischen Volk" jedoch stets betont werden.21

Ganz ähnlich strukturiert waren die Berichterstattung und die Kommentare über den "SIansky-Prozeß"22 im Neuen Deutschland und die vom ZK der SED gezogenen "Lehren aus dem Prozeß gegen das Verschwörerzentrum Slansky". Der Vorwurf des Antisemitismus konnte hier von vornherein zurückgewiesen werden,23 da der Kampf schließlich nicht "den Juden", sondern nur einigen "Agenten des Imperialismus" gelte. Die Gruppe um Rudolf Slansky würde "unter jüdisch-nationalistischer Flagge" segeln und sei "als zionistische Organisation getarnt" als Diplomaten der "amerikanischen Vasallenregierung Israels" tätig.24 Die Ideologie der Partei betrachtete den Zionismus als reaktionäre, nationalistische Bewegung,25 die von "kleinbürgerlichen jüdischen Intellektuellen" initiiert worden sei und zunächst in den Diensten des englischen, später des amerikanischen Imperialismus gestanden hätte. Er wirke als geheime "Agentur des amerikanischen Imperialismus" und habe mit den "Zielen der Humanität und wahrhaften Menschlichkeit" nichts zu tun.26 "Die Zionisten" um Rudolf Slansky hätten sich in die Partei- und Staatsführung der CSSR gedrängt, wo sie ihrer jüdisch-bürgerlichen Herkunft und Gesinnung ent-. sprechend wohlhabenden jüdischen Emigranten geholfen hätten, ihr Vermögen ins Ausland zu transferieren.

In der DDR wurde das Politbüromitglied Paul Merker aller politischen Ämter enthoben, weil er sich im mexikanischen Exil für Wiedergutmachungsleistungen gegenüber dem jüdischen Volk ausgesprochen hatte. Ihm wurde vorgeworfen, daß er in der nationalen Frage die marxistischleninistische Theorie verlassen und sich auf eine von Lenin und Stalin bekämpfte "kleinbürgerliche Plattform" gestellt habe. Weil er sich für die Entschädigung "jüdischer Kapitalisten" eingesetzt hätte, wurde auch er beschuldigt, ein Agent des Zionismus und des Imperialismus zu sein.

Die Zielrichtung war dabei nicht "antisemitisch", sondern "antikapitalistisch", wobei vor der Enteignung von Kapitalisten jüdischer Herkunft nicht Halt gemacht wurde. Im ZK-Beschluß über die "Lehren aus dem Slansky-Prozeß" vom 20.12. 1952 wurden "die Juden" an keiner Stelle als solche diskreditiert, und dennoch bediente er sich eindeutig antijüdischer Ressentiments:

"Merker fälschte die aus den deutschen und ausländischen Arbeitern herausgepreßten Maximalprofite der Monopolkapitalisten in angebliches jüdisches Eigentum des jüdischen Volkes um. In Wirklichkeit sind bei der 'Arisierung' dieses Kapitals nur die Profite 'jüdischer' Monopolkapitalisten in die Hände 'arischer' Monopolkapitalisten übergewechselt."27

Während Merker schon im Exil den "freiwilligen Verzicht auf den egoistisch-nationalistischen Standpunkt Deutschlands" gefordert hatte, bekämpfte die Partei die "Preisgabe des deutschen Volksvermögens" und die "Ausplünderung Deutschlands durch die imperialistischen Mächte".

Zumindest unbewußt benutzten die stalinistischen Ideologen ökonomische und politische Klischees, die bei den Antisemiten seit Ende des 19. Jahrhunderts verbreitet waren und sieben Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus im deutschen Volk noch lebendig sein mußten. Dahinter standen nicht nur grundsätzliche antikapitalistische Positionen, sondern handfeste ökonomische und politische Interessen. Angesichts der hohen Reparationen an die Sowjetunion versuchte sich die DDR die nur schwer zu erfüllenden Wiedergutmachungsleistungen an die jüdischen Opfer Hitlers zu ersparen.

Die Berichte und Kommentare, die zwischen dem 27.11. und dem 4.12.1952 im Parteiorgan Neues Deutschland zum Slansky-Prozeß erschienen, gehen sogar noch ein Stück weiter, denn sie erklärten den Präsidenten des jüdischen Staates persönlich zu einem gegen die Volksdemokratien arbeitenden Verschwörer. Der Prozeß habe die "Wühlarbeit" der israelischen Regierung aufgedeckt. Über die Prager Botschaft unter Ehuda Avriel (Überall) habe Ben Gurion unter dem Anschein der Neutralität im Auftrag des US-Imperialismus die Spionage- und Destruktionstätigkeit für alle volksdemokratischen Länder geleitet.28 Im Leitartikel vom 30.11. betont das Neue Deutschland, daß es jedoch eine "Fehlspekulation" der "amerikanischen Kriegsbrandstifter" sei, wenn sie glauben würden, daß man dem Treiben ihrer Agenten "tatenlos zusehen" würde, bloß weil diese jüdischer Abstammung seien.29

Unter dem Einfluß der Sowjetunion bzw. Stalins erfolgte in der DDR seit 1950 eine Überprüfung der Parteimitglieder zur "Entlarvung von Sozialdemokratismus, Kosmopolitismus und Objektivismus". Die Kampagne richtete sich zunächst vor allem gegen ehemalige Westemigranten, unter denen nicht wenige "jüdisch-bürgerlicher Herkunft" waren.30 Gegen das "Verschwörerzentrum Slansky" und den "zionistischen Agenten" Paul Merker wurde aber auch der Vorwurf des "Kosmopolitismus" erhoben, womit sich die Stalinisten des Feindbildes von den "unzuverlässigen", "nicht verwurzelten" und "eigenwilligen jüdischen Volks- und Vaterlandsverräter" bedienten. Im Neuen Deutschland war zu lesen, daß sich die Gruppe um Rudolf Slansky nicht zu ihrer tschechoslowakischen Heimat gehörig fühlte, sondern als Vertreter der "volksfeindlichen antinationalen Ideologie des Kosmopolitismus" gehandelt habe.31 Die über Stalins Tod hinaus reichende Psychose hatte zwar keinen rassistischen Hintergrund, sondern diente vornehmlich der politischen Disziplinierung der Parteimitglieder. Sie galt jedoch insbesondere Kommunisten, die sich als Juden verstanden oder für die Wiedergutmachung einsetzen. Da es in der ersten Hälfte der fünfziger Jahre oft genügte, jüdischer Herkunft zu sein, um der imperialistischen Agententätigkeit verdächtigt zu werden,32 hatten die stalinistischen Säuberungen auch in der DDR eine deutlich antisemitische Komponente.

 

Antisemitismus als Folge des Antiisraelismus ?

Die vom Stalinismus beeinflußte Ideologie der frühen DDR war von einem antiimperialistischen Verschwörungswahn beherrscht und bediente sich, wo das wirksam erschien, auch nationaler und kleinbürgerlicher Ressentiments. Unter Umständen rief der gegen Israel gerichtete, proarabische Antiimperialismus aber auch Geister, welche die DDR wieder loszuwerden versuchte. So mußte die Partei während der Suezkrise konstatieren, daß im Volke folgende "feindliche Auffassungen" kursierten: "Wenn Hitler mehr Juden vernichtet hätte, hätten sie Ägypten nicht angreifen können". "Die Faschisten hätten ja recht gehabt, wenn sie sagten, daß die Juden Kriege anzetteln würden."33

Wenn dies auch der offiziellen Ideologie eines Staates widersprach, in dem antisemitische Rassenhetze zu jeder Zeit verfolgt wurde, hat die antiisraelische Berichterstattung seiner Medien derartige Äußerungen doch mitprovoziert oder zumindest ermutigt. Auch kann kein Zweifel bestehen, daß beispielsweise die Ursachen für Hakenkreuzschmierereien nicht nur in Vorbildern aus der Bundesrepublik, sondern auch den Frustrationen über das eigene politische System zu suchen sind. Es ist jedoch große Skepsis geboten, wenn bereits vor der Wende in der DDR existierende antisemitische Tendenzen aus einer einseitigen Auffassung von Faschismus und Antisemitismus abgeleitet oder die Schändungen jüdischer Friedhöfe zu "antisemitisch" motivierten Aktionen einer "hausgemachten Rechten" erklärt werden.34 Der "Antiisraelismus" der DDR kann weder auf einen "traditionellen Antijudaismus" zurückgeführt werden, noch kann er als Erklärung für das Anwachsen antisemitischer Tendenzen im letzten Jahrzehnt der DDR dienen.35

Wenn Historiker derartige Zusammenhänge herstellen, so stützen sie sich zwar auf Zeitzeugen: Lothar Mertens beruft sich auf Aussagen des Ost-Berliner Gemeindevorsitzenden Dr. Peter Kirchner; Peter Maser stützt sich auf eine Erklärung der Jüdischen Gemeinden.36 Die Wahrnehmungen und Interpretationen von unmittelbar Betroffenen, die sich zudem oft widersprechen, müssen jedoch nicht den Realitäten entsprechen, in jedem Falle wären sie mit empirischen Erhebungen abzugleichen. Mehrere Meinungsumfragen, die unmittelbar nach der Wende und 1992 durchgeführt wurden, ergaben das "überraschende" Ergebnis, daß "Sorgen über antisemitische Einstellungen unter der ostdeutschen Bevölkerung" unberechtigt waren, weil die ehemaligen DDR-Bürger in fast allen abgefragten Aspekten einen wesentlich geringeren Antisemitismus aufwiesen als die der BRD. Das betraf zwar nicht die Einstellung gegenüber Israel und dem Zionismus, die ablehnende Haltung war jedoch selbst hier nicht höher als im Westen.37 Noch zwei Jahre nach dem Fall der Mauer wies die Gruppe der 31- bis 44- jährigen - die also in einer noch ideologisch stabilen DDR geboren, erzogen und sozialisiert worden war- den geringsten Anteil an antisemitischen Einstellungen auf. Dagegen erwiesen sich die weniger gebildeten männlichen Lehrlinge, die im Jahr der Wende kaum älter als 14 Jahre waren, am anfälligsten für fremdenfeindliche Einstellungen.38 Derartige Ergebnisse blieben für Studien wie Michael Wolffsohns "Meine Juden - Eure Juden" folgenlos,39 stattdessen wurden die 1992 in den neuen Bundesländern gewachsenen fremdenfeindlichen und rechtsgerichteten Einstellungen auf den Antizionismus der DDR und deren einseitigen ideologischen Umgang mit Faschismus und Antisemitismus zurückgeführt.

DDR-Bürger jüdischer Herkunft wurden von ihrem Staat und dessen Sicherheitsdienst ähnlich bevormundet und überwacht wie jeder andere Bürger. Auch kritische Geister bestätigen, daß sich Juden in keinem anderen Staat so sicher fühlen konnten wie in der DDR, weil Rassenhetze hier unter strenge Strafe gestellt war und hart verfolgt wurde.4" Wenn die Gemeinden einerseits vom Staat finanziert, andererseits von ihm überwacht wurden, so kann man diese das Machtmonopol sichernde Politik zwar als widersprüchlich betrachten, als "antisemitisch" oder "schizophren" sollte man sie jedoch nicht bezeichnen. Sie erklärt sich aus der praktischen Umsetzung der marxistischen Positionen zur nationalen und religiösen Frage.

Man kann den Umgang der SED mit den im In- und Ausland lebenden Bürgern jüdischer Herkunft jedoch keinesfalls nur aus ihrem ideologischen Selbstverständnis heraus beurteilen. Ihre totalitäre Ideologie und Politik muß vor allem deshalb kritisiert werden, weil sie die Juden auch nach der Schoah nicht als "Schicksalsgemeinschaft" anerkannte bzw. ihnen außerhalb ihrer Religion kein eigenes Selbstverständnis zugestehen wollte. Wenn die DDR das auch nicht als antisemitisch verstand: Allen Juden, welche ihre Ideologie in dieser Frage nicht vollständig teilten und unter diesen waren auch viele Kommunisten! -, mußte das wie eine Mißachtung ihrer Leiden erscheinen.

Der dezidierte Antiisraelismus der DDR kann zwar aus deren Antizionismus ideologisch erklärt werden. Er richtete sich jedoch weniger gegen einen jüdischen Nationalismus, als daß er sich aus den machtpolitischen Auseinandersetzungen im Nahen Osten erklärte. Obwohl sich beide Staaten nie anerkannt haben, hat die DDR das Existenzrecht des jüdischen Staates sehr wohl akzeptiert. Ihre feindselige Haltung zu Israel gründete sich nicht auf antijüdische Vorbehalte, sondern resultierte aus ihrer politischen Parteinahme in den Systemauseinandersetzungen, wie sie seit Beginn der fünfziger Jahre zwischen den USA und der Sowjetunion bzw. Israel und den arabischen Staaten stattfanden.41 Der von Stalin ursprünglich zu innenpolitischen Zwecken benutzte Antizionismus diente seit 1950 der sowjetischen Außenpolitik, die seitdem die arabischen Staaten unterstützte. Noch zwei Jahre zuvor hatten die Sowjetunion und die anderen Volksdemokratien die jüdische Bevölkerung Palästinas auch militärisch gegen die "arabische Aggression" unterstützt. Im April 1948 bot Otto Grotewohl dem Jischuw42 Schiffe an, um Juden nach Palästina zu befördern. Die Zahlung einer pauschalen Aufbauhilfe war bereits geplant.43 Im Sommer 1948 gab das ZK der SED eine Sonderinformation heraus, deren Einleitung Paul Merker geschrieben hatte und in der Wilhelm Pieck nicht nur den Teilungsbeschluß der UNO, sondern auch die Schaffung des jüdischen Staates als wesentlichen Beitrag begrüßte, "um Tausenden von Menschen, denen der Hitlerfaschismus die schwersten Leiden zufügte, den Aufbau eines neuen Lebens zu ermöglichen."44 Die Haltung des sozialistischen deutschen Staates zu Israel hätte auch weiterhin anders ausgesehen, wenn sich der jüdische Staat politisch nicht an die USA, sondern die Sowjetunion gebunden hätte. Im Kampf gegen die "Agenten des Imperialisten" hätte man sich dann eben anderer Konstruktionen bedienen müssen. Die Ideologie der DDR war kein vollständig geschlossenes System, sondern wurde relativ flexibel zur Verwirklichung machtpolitischer Kalküle genützt.

 

Anmerkungen

1 Der Artikel und ein Interview mit Prof. Peter Maser riefen den empörten Leserbrief eines Bürgers jüdischer Herkunft hervor, der 40 Jahre lang in der DDR gelebt hatte und betonte, daß er von "amtlichem Antisemitismus oder von Seiten der SED" nichts gespürt habe.

2 Unter dieser provokativen These stand eine von der Friedrich-Ebert-Stiftung am 27.10.1997 veranstaltete Podiumsdiskussion "Antisemitismus in der DDR", an der Prof. Peter Maser (Münster), Dr. Angelika Timm (Berlin) und Dr. Herbert Lappe (Dresden) als Zeitzeuge teilnahmen und die von mir moderiert wurde.

3 In Deutschland wurde diese Auffassung vor den Nazis u.a von Ideologen wie Wilhelm Marr, Eugen Dühring, Adolf Stoecker und Houston Stewart Chamberlain vertreten.

4 Lothar Mertens: Antizionismus. Feindschaft gegen Israel als neue Form des Antisemitismus In: Antisemitismus in Deutschland. Zur Aktualität eines Vorurteils, hrsg v. Wolfgang Benz. München 1995, S. 89.

5 Mertens: Antizionismus, S. 95. Mit "Judentum" wurde in der DDR aber nur eine Religionszugehörigkeit bezeichnet, womit der Begriff letztlich genauso verstanden wurde wie in Mertens Habilitationsschrift: Lothar Mertens: Davidstern unter Hammer und Zirkel. Die Jüdischen Gemeinden in der SBZ/DDR und ihre Behandlung durch Partei und Staat 1945-1990. Hildesheim / Zürich / New York 1997.

6 Peter Maser: Juden und Jüdische Gemeinden in den verschiedenen Phasen der SED-Diktatur. In: Materialien der Enquete-Kommission "Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland" (12. Wahlperiode des Deutschen Bundestages). Hrsg. v. Deutschen Bundestag. Bd. IIU3. Rolle und Bedeutung der Ideologie, integrativer Faktoren und disziplinierender Praktiken in Staat und Gesellschaft der DDR Frankfurt a. Main/Baden Baden, S. 1550-1597, S. 1561.

7 Ebd., S. 1593,1597.

8 Mario Keßler: Die SED und die Juden - zwischen Repression und Toleranz. Berlin 1995, S. 89.

9 Die Einschätzung Keßlers wird sowohl von kritischen Zeitzeugen wie Helmut Eschwege als auch anderen Historikern wie Lothar Mertens (Davidstern unter Hammer und Zirkel) gestützt.

10 Obwohl er zwei Seiten weiter einräumt, daß er nicht "unzulässig verallgemeinernd von 'Antisemitismus' reden" möchte, gebraucht er den Begriff "antisemitische Tatsachen". Michael Wolffsohn: Meine Juden - Eure Juden. München, Zürich 1997, S. 118, 120.

11 Ebd. S. 118-119.

12 Ebd., S. 124.

13 Ebd., S. 143.

14 Ebd., S. 128, S. 133.

15 Vgl. auch: Mertens: Davidstern unter Hammer und Zirkel, S. 315.

16 Die aus meiner Sicht einzige Historikerin, die nicht aus der DDR kommt und sich diese Mühe macht, ist Erica Burgauer. Allerdings muß man bei ihr die unsinnige Deutung lesen, die DDR habe ihren stalinistischen Antizionismus und Antiisraelismus durch die massive Unterstützung der jüdischen Gemeinden zu kompensieren versucht, um sich dem Verdacht verfassungswidrigen Verhaltens zu entziehen. Erica Burgauer Zwischen Erinnerung und Verdrängung. Juden in Deutschland nach 1945. Reinbek b. Hamburg 1993, S. 201.

17 Wenn Marx in seiner Schrift "Zur Judenfrage" schrieb, die "chimärische Nationalität" des Juden sei lediglich "die des Kaufmanns" und den "weltlichen Grund, Kultus und Gott des Judentums" im "Eigennutz", "Schacher" und "Geld" fand, dann war dies zwar kein Antisemitismus im Sinne einer Weltanschauung. Er stützte damit aber sehr wohl die besonders im Kleinbürgertum verbreiteten wirtschaftlichen Vorurteile gegen die "jüdischen" Kaufleute, Börsianer und Kapitalisten.

18 Die Haltung der Kommunisten entsprach der der II. Internationale, welche die Bestrebungen von sozialistischen Zionisten wie der Poale Zion, Marxismus und Zionismus zu verbinden, ebenfalls lange Zeit ablehnten.

19 Während für viele hochrangige Parteimitglieder ihre Herkunft keine Rolle spielte, kann beispielsweise Helmut Eschwege als, jüdischer Marxist" bezeichnet werden. Wegen seines Bekenntnisses zur jüdischen Nationalität wurde er am 17.4.1953 aus der SED ausgeschlossen. (Vgl. Helmut Eschwege: Fremd unter meinesgleichen. Berlin 1991)

21 Auf der Basis der Theorie Georgi Dimitroffs, wonach der Faschismus die "offene terroristische Diktatur der reaktionärsten, am meisten chauvinistischen, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals" ist (Vgl. Wörterbuch der Geschichte. Bd. A-K. Berlin 1983, S. 290), wurden die politischen Interessen des Faschismus im Prinzip mit denen der westlichen Alliierten gleichgesetzt, konnte der Antisemitismus der Nazis mit dem angeblichen Rassismus der Zionisten gleichgesetzt und der demokratische Parlamentarismus der BRD mit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft kurzgeschlossen werden.

21 In Zurückweisung eines möglicherweise zu sehenden "natürlichen" Zusammenhangs zwischen dem jüdischen Volk und dem Imperialismus wenden sich die Unterzeichner gegen das "unnatürliche Bündnis" zwischen der israelischen Regierung und dem Imperialismus.

22 Im November 1952 wurden in einem Schauprozeß in Prag 14 führende tschechoslowakische Partei- und Staatsfunktionäre um Rudolf Slansky des Hochverrates angeklagt, 11 von ihnen waren jüdischer Herkunft.

23 Hermann Matern: Über die Durchführung des Beschlusses des ZK der SED "Lehren aus dem Prozeß gegen das Verschwörerzentrurn Slansky. In: Dokumente der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, Bd. 4, Berlin Berlin 1954, S. 199-219, zit. n.: Mario Keßler: Die SED und die Juden, S. 153-155.

24 Vgl. ebd. u. die fast wortwörtlich gleichen Formulierungen im abschließenden Kommentar des Neuen Deutschland: Georg Krausz: Die zionistische Agentur des USA-lmperialismus. In: Neues Deutschland, 4.3.52, Nr. 285, S. 2.

25 Vgl. Neue Niederlage der Rassen- und Kriegshetzer. In: Neues Deutschland. 29.11.52, S. 2.

26 Hermann Matern, zit. n.: Keßler: Die SED und die Juden, S. 153.

27 Noch zynischer erscheint, daß die aus dem Slansky-Prozeß gezogenen Lehren, der jüdischen Bevölkerung eine Mitschuld an der Machtübernahme der Nazis unterstellen: "Merker, der in Worten die Schuld der deutschen Arbeiterklasse und des gesamten deutschen Volkes am Sieg des Faschismus anerkennt, lehnt diese Schuld in doppelzünglerischer Weise in Wirklichkeit ab, indem er die jüdische deutsche Bevölkerung von dieser Schuld ausdrücklich freispricht..." (Ebd., S. 155.)

28 Vgl. Zeuge Orenstein enthüllt Morgenthau-Acheson-Plan. In: Neue. Deutschland, 29.1 1. 52, S. 4.

29 Die Vernichtung der Slansky-Bande - ein Sieg der Friedenskräfte. In: Neues Deutschland,30.11. 1952,S. 1.

30 Neben Paul Merker wurden Leo Bauer, Bruno Goldammer und Lex Ende aus der Partei ausgeschlossen, Wolfgang Langhoff, Alexander Abusch, Leo Zuckermann, Jürgen Kuczynski und Gerhart Eisler wurden ihrer Funktionen enthoben. (Angelika Timm: Hammer, Zirkel, Davidstern. Das gestörte Verhältnis der DDR zu Zionismus und Staat Israel. Bonn 1997, S. 113 ff.)

31 Georg Krausz: Die zionistische Agentur des USA-Imperialismus . In: Neues Deutschland, 4.3.52, Nr. 285, S. 2. - Nach dem herrschenden Verständnis war der "Kosmopolitismus" eine reaktionäre Ideologie, die dem international agierenden Imperialismus zur Unterdrückung anderer Nationen diente. Vgl. Kleines Politisches Wörterbuch. Berlin 1967 ff., S. 519.

32 Unter den Verhafteten und Verurteilten waren: Paul Baender, Hans-Heinrich Schrecker, Leo Bauer, Bruno Goldammer. Der Vorsitzende des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden und SED-Volkskammerabgeordnete Julius Meyer wurde als zionistischer Agent beschuldigt, konnte sich aber durch seine Flucht der Verfolgung entziehen. Zu den hohen SED-Funktionären, die vorübergehend von Positionen abgelöst wurden, gehörten Albert Norden und Hermann Axen. (Vgl. Timm: Hammer, Zirkel, Davidstern, S. 120 ff.)

33 Zit. nach: Mertens: Davidstern unter Hammer und Zirkel, S. 322.

34 Michael Wolffsohn: Meine Juden - Lure Juden, S. 148 ff.

35 Vgl. Mertens: Antizionismus, S. 98.

36 Siegmund Rotstein/P. Kirchner/H.-J. Levy/R.Scharf-Katz: Unsere Meinung. In: Nachrichtenblatt des Verbandes der Jüdischen Gemeinden in der Deutschen Demokratischen Republik, Dresden, März 1990, S. 2. - Auf einer Gedenkveranstaltung zum 50. Jahrestag des faschistischen Pogroms am 9. November 1983 hatte der Präsident des Verbandes der Jüdischen Gemeinden demgegenüber erklärt, daß in seiner sozialistischen deutschen Heimat der Humanismus gesiegt habe und "ein ganzes Volk wissend gemacht" wurde (Damit die Nacht nicht wiederkehre, S. 59 f.)

37 Werner Bergmann/Rainer Erb: Wie antisemitisch sind die Deutschen? Meinungsumfragen 1945-1994. In: Antisemitismus in Deutschland. Zur Aktualität eines Vorurteils, hrsg. v. Wolfgang Benz. München 1995, S. 57.

38 Vgl. Bergmann/Erb, ebd.

39 Michael Wolffsohn erwähnt zwar an einer Stelle, daß "Ossis" gegenüber Antisemitismus und Rechtsextremismus "weniger anfällig" seien als "Wessis" (Meine Juden Eure Juden, S. 151) - auf das Bild, das er von der Situation der Juden in beiden Teilen Deutschlands konstruiert, hat das jedoch keinerlei Einfluß.

40 Vgl. Helmut Eschwege: Die jüdische Bevölkerung der Jahre nach der Kapitulation Hitlerdeutschlands auf dem Gebiet der DDR bis zum Jahre 1953. In: S. Th. Arndt/H. Eschwege/P. Honigmann/L. Mertens: Juden in der DDR. Geschichte-Probleme-Perspektiven. Duisburg 1988, S. 63-100, hier S. 99. Eschwege betont, daß die SED-Führung die Juden "weit anständiger und menschlicher" behandelte als andere sozialistische Regierungen. (Ebd., S. 80.)

41 Vgl. Timm: Hammer, Zirkel, Davidstern, S 395.

42 Hebr. "bewohntes Land", Gesamtheit der jüdischen Siedlungen und Einwohner vor der Gründung des Staates Israel.

43 Vgl. ebd., S. 85.

44 Zit. nach: Eschwege: Die jüdische Bevölkerung, S. 89.